Gedanken von Pfarrer Seibel


"...nun liegen die Wahlen hinter uns."
Liebe Leser*innen,
nun liegen die Wahlen hinter uns. Die einen sagen Ah! Die anderen Oh! Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, mit Ihnen ein paar Gedanken zum Verhältnis Christ und Staat – der weltlichen Obrigkeit, wie es Luther ausdrückt – zu teilen.
Da wir uns namentlich nach Jesus Christus als Christen bezeichnen, ist es wohl nur recht und billig (auch da) zuerst zu schauen, wie es denn Jesus Christus hielt. Also, wie war das damals mit Jesus?
Wenn die Überlieferung stimmt, und so ist es in den Evangelien nachzulesen, stand über seinem Kreuz in großen Buchstaben und verschiedenen Sprachen: Der König der Juden oder abgekürzt: INRI (eine beliebte Frage in Kreuzworträtseln). Der offizielle Grund, warum Jesus gekreuzigt wurde, war die ihm unterstellte Behauptung, König der Juden sein zu wollen. Offiziell wurde Jesus also als politischer Provokateur verurteilt und hingerichtet.
Dabei hat er die meiste Zeit seines Lebens ziemlich unauffällig gelebt, soweit wir wissen. Erst als Gottes Geist in der Taufe am Jordan über ihn kam und er begann Wunder zu tun und vom Reich Gottes zu erzählen, wurde er für die damalige Öffentlichkeit interessant. Denn eines stellte er spätestens ab diesem Zeitpunkt über alles, kurz zusammengefasst in Mt. 6,33: „Setzt euch zuerst für Gottes Reich ein und dafür, dass sein Wille geschieht. Dann wird er euch mit allem anderen versorgen.“
Nun, das ist eine klare Aussage zu dem, was uns als Christen am Wichtigsten sein sollte: Gottes Reich. Entsprechend hat Jesus in der Zeit seiner Wirksamkeit auch viel davon erzählt und sich entsprechend verhalten, so dass die große Bewegung der Nachfolge Christi entstand, über seinen Tod hinaus. Bis heute ist für viele Christen Jesu Tun und Handeln Richtschnur für ihr eigenes Leben. Zu Recht.
Und was sagte er nun zum Staat? Die bekanntesten Worte sind aus Mt. 22. Jesus antwortet auf folgende Frage hin: Nun sag uns deine Meinung: „Ist es nach dem Gesetz Gottes erlaubt, dem römischen Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?“ Jesus erkannte ihre böse Absicht und sagte: „Ihr Scheinheiligen, ihr wollt mir doch nur eine Falle stellen! Zeigt mir eins von den Geldstücken, mit denen ihr die Steuer bezahlt.“ Sie gaben ihm eine Silbermünze, und er fragte: „Wessen Bild und wessen Name sind denn hier aufgeprägt?“ „Das Bild und der Name des Kaisers“, antworteten sie. Da sagte Jesus: „Dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, – aber gebt Gott, was Gott gehört!“
Dieser Linie können wir auch heute noch folgen. Jesus legt es nicht aus Prinzip oder weil es seine Botschaft verlangt auf einen Konflikt mit dem Staat an. Ganz egal, was es für eine Staatsform ist. Sein Schwerpunkt liegt einzig und allein auf der Verkündigung und dem hier schon lebendigen Reich Gottes. Und er ist sich sicher, dass dieses Reich schon in dieser irdischen Welt sichtbar wird und von ihm selbst und seinen Nachfolgern, heute uns Christen, erlebt werden sollte. Dieses Tun und Wirken ist vollkommen unabhängig von der politischen Organisationsform des Staates, in dem wir leben. Allerdings kann es zu Konflikten kommen, wenn der Staat Ziele verfolgt, die eindeutig dem widersprechen, was für die Bürgerinnen und Bürger in Gottes Reich richtig ist, zu tun. Das betrifft alle Dinge, die Jesus uns in den Evangelien beigebracht hat, durch das, was er sagte und tat. In solchen Fällen kann oder sogar muss ziviler Ungehorsam nötig sein, um unseren christlichen Standpunkt auszudrücken. Niemals aber mit Gewalt! Davon hat Jesus selbst abgesehen und kam so schließlich ans Kreuz. Auf diese Weise ist unser Glaube natürlich immer politisch, weil unsere erste Liebe immer dem Reich Gottes gelten sollte und nicht dem Staat oder der Staatsform in der wir leben. Denn wie war das, was Jesus sagte: „Setzt euch zuerst für Gottes Reich ein und dafür, dass sein Wille geschieht. Dann wird er euch mit allem anderen versorgen.“
Was sagt uns das alles? Für Christen und ihren Glauben ist letztlich nicht die Staatsform relevant. Christen leben schließlich in allen Ländern dieser Welt, egal, wie sie regiert werden. Sehr wohl wichtig ist, dass wir Christen uns in erster Linie als Bürger und Bürgerinnen des Reiches Gottes verstehen und dessen Richtlinien verfolgen. Denn durch unsere Taufe und unseren Glauben sind wir Teil von Gottes Reich geworden, wie man früher so schön sagte „in Zeit und Ewigkeit“.
Dieser Glaube hat aber auch Relevanz in dieser Welt: So setzen wir uns als Kirchengemeinde in Waldbröl für die Glaubensvermittlung ein. Wir zeigen sozialen Einsatz, wir engagieren uns in Erziehung und Bildung. Denn wir sind als Gemeinde Jesu Christi davon überzeugt, dass wir hier vor Ort im Sinne Christi reden und handeln müssen, um damit auch politisch zu zeigen, wer wir sind und für welche Werte wir einstehen, eben die des Reiches Gottes.
Ihr Thomas Seibel